Bülow, B. von,deutscher Reichskanzler (1849-1929).Masch. Brief mit e. U. Dat. Norderney, "Villa Edda", 24. 8. 1912. 22,1 x 14,2 cm. 2 3/4 S. - Doppelblatt.Inhaltsreiches Schreiben aus seiner Zeit nach dem Rücktritt als Reichskanzler (1909) und vor dem Dienstantritt als Sonderbotschafter in Rom (1914), im Brief bereits indirekt erwähnt als Einladung in die Villa Malta. Nach belanglosen Plaudereien über das Wetter, Kuren in Marienbad und Bülows Aufenthalt auf Norderney wechselt der Brief auf der zweiten Seite abrupt zur Einschätzung der politischen Lage: "Es wäre sehr erfreulich, wenn wir mit England zu einer Verständigung gelangen würden, die unseren berechtigten Ansprüchen in der Welt und dem nationalen Empfinden des deutschen Volkes entspräche. Zweifellos wird eine solche Wendung durch das Ausscheiden des Königs Eduard, die friedlichen Gesinnungen der englischen Liberalen und last but not least den im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts ohne vorzeitigen Zusammenstoss mit England durchgeführten Ausbau unserer Flotte wesentlich erleichtert. Der Friedensschluss zwischen Italien und der Türkei scheint in der Tat bevorzustehen. Es muss sich zeigen, wie weit für Italien der Besitz von Tripolis die gemachten Anstrengungen und Aufwendungen lohnt." - Gerichtet an einen "verehrten Herrn Fleischer", wohl den Wiesbadener Verleger und Herausgeber der "Deutschen Revue", Richard Fleischer (1849-1937), der sich "in seiner politischen Wirksamkeit im Hintergrund hielt und versuchte, durch enge Beziehungen zu wichtigen deutschen und ausländischen Persönlichkeiten, die Außenpolitik des Reiches, besonders im Sinne einer deutsch-englischen Zusammenarbeit, zu beeinflussen. Frühzeitig erkannte er die Gefahr der Isolierung Deutschlands, eines Mehrfrontenkrieges" (NDB V, 234).