Louis-Léopold Boilly, Der kindliche Schrecken. Mitte 1790er Jahre.Kohlestiftzeichnung, partiell weiß gehöht, auf bläulichem "Courtalin"-Papier (Wasserzeichen u.li., teils angeschnitten). Unsigniert. Hinter Glas in einer furnierten Leiste des 19. Jh. gerahmt. Verso auf der Rahmen-Abdeckung mit alten Klebeetiketten (z.T. wohl Ausstellungsetiketten) versehen, eines von fremder Hand in Tinte bezeichnet: "Revolutionszeit / Bild [einer] Wickeldame mit Kind u. Affe: Kreidezeichn. sehr gut".Nicht im WVZ Harrisse; die Zeichnung wird in das WVZ Bréton/Zuber aufgenommen.Wir danken Etienne Bréton und Pascal Zuber, Paris, für freundliche Hinweise.Provenienz: Aus der Sammlung einer Urenkelin Franz von Lenbachs, vormals Sammlung Franz von Lenbach (1836 Schrobenhausen - 1904 München).Zum Papier:Der Tapeten-Fabrikant Jean-Baptiste Réveillon (1725 Paris - 1811 Paris) erwarb 1772 eine Papiermühle in Courtalin-en-Brie (Seine-et-Marne), in welcher er qualitativ hochwertiges Velin- und Büttenpapier herstellen konnte. Er beanspruchte für sich, der erste gewesen zu sein, welcher solches Papier in Frankreich herstellte. 1782 gelang es ihm durch chemisches Experimentieren, einen neuen Herstellungsprozess für Velinpapier zu finden. 1783 erhielten sowohl seine Papiermühle als auch sein Tapetenmanufaktur den Titel 'Manufacture Royale'.Louis- Léopold Boilly war der bedeutendste Genremaler Frankreichs des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts. Die Zeichnung "Der kindliche Schrecken" entstand in den 1790er Jahren, in welchen der 1785 nach Paris übergesiedelte Künstler bereits gut etabliert und als Genremaler höchst erfolgreich war. Boilly, dessen lange und beeindruckende Karriere politisch unruhige Zeiten der französischen Monarchie, der französischen Revolution, Napoleonischen Ära, Restauration und Julimonarchie überspannte und überdauerte, profilierte sich neben der Porträt- und Stilllebenmalerei insbesondere als exzellenter Chronist einer sich wandelnden französischen Gesellschaft. Seine "Scènes galantes" und Boudoir Szenen waren so erfolgreich, dass sie als Drucke vielfache Verbreitung fanden. Ausgerichtet auf den privaten Käufermarkt und einer sich neu etablierenden bürgerlichen Mittelschicht, schuf sich Boilly seine Nische auf dem Pariser/ französischen Kunstmarkt mit dem Malen von leicht anzüglichen Szenen, welche vielfach Intrigen oder die Fallstricke des Liebeslebens thematisierten. Dieser Erfolg stand ganz sicher in direktem Zusammenhang mit seiner Ausstellungstätigkeit im Pariser Salon ab 1791. Seit diesem Jahr war es auch Künstlern, die nicht Mitglieder der Königlichen Kunstakademie waren, möglich, im Salon auszustellen. Eine Zulassung zur Ausstellung bedeutete großen wirtschaftlichen Erfolg und sowohl nationale als auch internationale Anerkennung.Die Zeichnung "Der kindliche Schrecken" verdeutlicht anschaulich Boillys großes künstlerisches Interesse an einem In-Beziehung-Setzen von erotischer Darstellung der Frau und dem Blick des Betrachters. Um einige erzählerische Elemente verändert und erweitert findet sich die hier dargestellte Szene motivgleich in dem heute in der Wallace Collection, London, befindlichen Gemälde "The dead mouse", entstanden in den 1780/90er Jahren sowie in der auf bloße Wiedergabe der Mutter-Kind-Beziehung reduzierte Kohlestift-Zeichnung "La peur enfantine", Sotheby's London, 2006.Der Blick des Betrachters dringt in eine sehr private, häusliche Szene ein. Thematisiert wird die emotionale Umarmung eines Kindes und einer als Objekt der Begierde dargestellten, äußerst adretten jungen Mutter. Ihr hochelegantes Kleid aus teurer Seide unterstreicht ihre gute gesellschaftliche Position. Der in der vorliegenden Komposition hinzugefügte Affe fungiert nicht nur als trivialer Auslöser für die vermeintlich unbegründete kindliche Angst, sondern symbolisiert vielmehr die weltliche Begierde und Lüsternheit und