Meister der Dormitio Virginis Massari
Ende des 15. Jh. in Ferrara nachweisbar
Madonna mit Kind
Rücks. Klebeetikett Sammlung M. v. Nemes. Ebda. hs. Nummerierung "458/III" und "128". Hs. Bezeichnung "845 Ital. Sch. Bartolomeo da Gadda" in Rot. Tempera auf Holz. 48,2 x 30,9 cm (Darstellung 46,5 x 29,4 cm) cm. Umlaufend 7 mm breite Listelli angesetzt. Parkettiert. Rest. Besch. Rahmen besch. (55 x 38 cm).
"Tutto vi è raro e pensato, contortamente" (i. S. "Alles dort ist ungewöhnlich und durchdacht, verdreht"; De Marchi, s. u., S. 1041) - "Das Sitzmotiv der über die Maßen schmal gebauten Maria mit dem rein gezeichneten, fast brauenlosen Gesicht über auffallend langem, zierlichen Halse und mit den zerbrechlich dürren Fingern der langen Hände zeichnet sich durch eine - wenn man so sagen darf - fast tänzerische Grazie aus" (Ruhmer, s. u., S. 75). Diese beiden Beschreibungen des vorliegenden Gemäldes, das aufgrund seines Formates zur privaten Andacht bestimmt gewesen sein muss, bringen das Gefühl zum Ausdruck, das man beim Betrachten dieser Madonna spontan empfindet. Ein Gefühl, das man auch als Verwunderung bezeichnen kann, denn die Mutter berührt das sich deutlich bewegende Kind mit ihren Fingern nicht. Es scheint, dass sich die Gottesmutter des göttlichen Ursprungs ihres Sohnes in einem Maße bewusst ist, dass sie es nicht wagt, ihn mit menschlich-mütterlicher Geste zu stützen und zu halten ...
Dieser Umstand des Einzigartigen - auch in künstlerischer Hinsicht -, außerhalb der Norm Stehenden, war und ist sicherlich die Ursache für die Diskussionen hinsichtlich der Zuschreibung des Werkes.
Auf den ersten Blick wirkt das Gemälde wie im Kreis der "Belliniani", den zahlreichen Künstlern, die vom Schaffen des führenden venezianischen Malers seiner Zeit, Giovanni Bellini (um 1435 Venedig - 1516 ebenda), geprägt und beeinflusst waren, entstanden. In der Tat glaubt man, in einer kleinen Zeichnung Giovanni Bellinis das Gesicht Mariens vorweggenommen sehen zu können (Heinemann, Fritz, Giovanni Bellini e i Belliniani. Venedig 1962, S. 85, Kat.-Nr. 349 (mit Abb. 157): Skizze zum Kopf einer Schmerzhaften Muttergottes). Auch das groß geratene Kind mit seinem überdimensioniert wirkenden Kopf und der eher unkindlich ernsten Mimik findet sich bei den Belliniani wieder. Und dennoch: Wir scheinen es mit einer ferraresischen Arbeit zu tun zu haben. Andrea De Marchi hat überzeugend die stilistischen Parallelen zur sog. Dormitio Virginis Massari (heute im Besitz der Pinacoteca Ambrosiana, Mailand, Inv.-Nr. 1001) aufgezeigt (De Marchi, s. u., S. 1041 f.). Bis heute ist die Identität deren Urhebers nicht geklärt, noch immer wird vorsichtig vom "Maestro della Dormitio Virginis Massari" gesprochen. Ein biographisch (noch) nicht fassbarer Meister, der gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Ferrara dokumentierbar ist. Sein Hauptwerk, nach dem man den Künstler benannt hat, befand sich ehemals in der Sammlung Massari in Ferrara. Es gab (verworfene) Thesen, die den Maler mit Baldassare dEste (Baldassare Estense; 1432 Reggio Emilia - gest. um 1510) zu identifizieren versuchten, wohl einem natürlichen Sohn des Markgrafen Niccolo III dEste.
Literatur: Ruhmer, Eberhard, Eine Madonna des Bartolomeo della Gatta, in: Studi di storia dellarte in onore die Antonio Morassi. Mailand 1971, S. 75-84. - De Marchi, Andrea, Un geniale anocronista, nel secolo di ercole, in: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa, Classe di Lettere e Filosofia, 3. Ser. 22 (1992), 4, S. 1039-1071. - Guerzi, Chiara, La Paternità di Dio, in: Ausst.-Kat. "Padre e figli" (hg. v. Don Alessio Geretti), Illegio, 13. Mai - 8. Oktober 2018, S. 59-80, hier S. 60: zum Maestro della Dormitio Virginis Massari und dem Versuch, ihn mit Baldassare dEste zu identifizieren.
Provenienz: Hugo Helbing, München, Auktion "Kollektion Dr. Ludwig v. Bürkel Florenz". Gemälde alter Meister, vorwiegend der italienischen und französischen Schule des XV. - XVIII. Jahrhunderts, orientalische Textilien des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Skulpturen. Aus dem Besitze des Kunsthistorikers Dr. L. von Buerkel, München, 29. Oktkober 1910, Kat.-Nr. 13 (mit Abb.): als Werk des Bartolomeo della Gatta. - Sammlung Marczell von Nemes (1866 Jánoshalma - 1930 Budapest). - Hugo Helbing, München, Auktion "Sammlung Marczell von Nemes", 2. Abteilung., 2. November 1933 und folgende Tage, Kat.-Nr. 92: als Werk des Bartolomeo della Gatta. Mit irrtümlicher Angabe von Leinwand als Bildträger. - Privatbesitz Süddeutschland.
Meister der Dormitio Virginis Massari
Ende des 15. Jh. in Ferrara nachweisbar
Madonna with Child
Adhesive label "Sammlung M. v. Nemes", handwritten numbers "458/III" and "128" verso. Handwritten inscription "845 Ital. Sch. Bartolomeo da Gadda" in red. Tempera auf panel. 7 mm wide listels applied all around. Cradling. Restored. Damaged. Damage to frame (55 x 38 cm).
"Tutto vi è raro e pensato, contortamente" (i. S. "Alles dort ist ungewöhnlich und durchdacht, verdreht"; De Marchi, s. u., S. 1041) - "Das Sitzmotiv der über die Maßen schmal gebauten Maria mit dem rein gezeichneten, fast brauenlosen Gesicht über auffallend langem, zierlichen Halse und mit den zerbrechlich dürren Fingern der langen Hände zeichnet sich durch eine - wenn man so sagen darf - fast tänzerische Grazie aus" (Ruhmer, s. u., S. 75). Diese beiden Beschreibungen des vorliegenden Gemäldes, das aufgrund seines Formates zur privaten Andacht bestimmt gewesen sein muss, bringen das Gefühl zum Ausdruck, das man beim Betrachten dieser Madonna spontan empfindet. Ein Gefühl, das man auch als Verwunderung bezeichnen kann, denn die Mutter berührt das sich deutlich bewegende Kind mit ihren Fingern nicht. Es scheint, dass sich die Gottesmutter des göttlichen Ursprungs ihres Sohnes in einem Maße bewusst ist, dass sie es nicht wagt, ihn mit menschlich-mütterlicher Geste zu stützen und zu halten ...
Dieser Umstand des Einzigartigen - auch in künstlerischer Hinsicht -, außerhalb der Norm Stehenden, war und ist sicherlich die Ursache für die Diskussionen hinsichtlich der Zuschreibung des Werkes.
Auf den ersten Blick wirkt das Gemälde wie im Kreis der "Belliniani", den zahlreichen Künstlern, die vom Schaffen des führenden venezianischen Malers seiner Zeit, Giovanni Bellini (um 1435 Venedig - 1516 ebenda), geprägt und beeinflusst waren, entstanden. In der Tat glaubt man, in einer kleinen Zeichnung Giovanni Bellinis das Gesicht Mariens vorweggenommen sehen zu können (Heinemann, Fritz, Giovanni Bellini e i Belliniani. Venedig 1962, S. 85, Kat.-Nr. 349 (mit Abb. 157): Skizze zum Kopf einer Schmerzhaften Muttergottes). Auch das groß geratene Kind mit seinem überdimensioniert wirkenden Kopf und der eher unkindlich ernsten Mimik findet sich bei den Belliniani wieder. Und dennoch: Wir scheinen es mit einer ferraresischen Arbeit zu tun zu haben. Andrea De Marchi hat überzeugend die stilistischen Parallelen zur sog. Dormitio Virginis Massari (heute im Besitz der Pinacoteca Ambrosiana, Mailand, Inv.-Nr. 1001) aufgezeigt (De Marchi, s. u., S. 1041 f.). Bis heute ist die Identität deren Urhebers nicht geklärt, noch immer wird vorsichtig vom "Maestro della Dormitio Virginis Massari" gesprochen. Ein biographisch (noch) nicht fassbarer Meister, der gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Ferrara dokumentierbar ist. Sein Hauptwerk, nach dem man den Künstler benannt hat, befand sich ehemals in der Sammlung Massari in Ferrara. Es gab (verworfene) Thesen, die den Maler mit Baldassare dEste (Baldassare Estense; 1432 Reggio Emilia - gest. um 1510) zu identifizieren versuchten, wohl einem natürlichen Sohn des Markgrafen Niccolo III dEste.
Literature: Ruhmer, Eberhard, Eine Madonna des Bartolomeo della Gatta, in: Studi di storia dellarte in onore die Antonio Morassi. Milan 1971, pages 75-84. - De Marchi, Andrea, Un geniale anocronista, nel secolo di ercole, in: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa, Classe di Lettere e Filosofia, 3. Ser. 22 (1992), 4, pages 1039-1071. - Guerzi, Chiara, La Paternità di Dio, in: Exhibition catalogue "Padre e figli" (editor of Don Alessio Geretti), Illegio, 13 May - 8 October 2018, pages 59-80, here page 60: on the Maestro della Dormitio Virginis Massari and the attempt to identify him with Baldassare dEste.
Provenance: Hugo Helbing, Munich, Auction "Kollektion Dr. Ludwig v. Bürkel Florenz". Paintings by old masters, mainly from the Italian and French Schools of the 15th - 18th centuries, oriental textiles of the 16th and 17th centuries, sculptures. From the collection of the art historian Dr. L. von Buerkel, Munich, 29 October 1910, catalogue number 13 (with illustration): as a work by Bartolomeo della Gatta. - Collection of Marczell von Nemes (1866 Jánoshalma - 1930 Budapest). - Hugo Helbing, Munich, Auction "Marczell von Nemes Collection", 2nd part, 2 November 1933 and following days, catalogue number 92: as a work by Bartolomeo della Gatta. With erroneous indication of canvas as the support. - Private owner, South Germany.